Märchen

HOME

 

Schneewittchen

 

Wenn Mann und Frau zusammenfinden

und wollen ‘ne Familie gründen,

dann ist es nicht mehr abzuwenden,

ein Kind zu haben in den Händen.

 

So ging es Königs mal vor Zeiten.

Sie wollten auch ein Kind begleiten.

Doch was der Grund war hier dafür?

Es stand kein Storch vor ihrer Tür.

 

Nun, so vergingen manche Jahre,

dem König fielen aus die Haare.

Selbst seine holde Gattin fein,

wünscht sich nichts mehr, als Kinderlein.

 

Still saß sie so in ihrem Kummer

und fiel am Fenster in ‘nen Schlummer,

stach sich dabei in ihren Finger.

Drei Tropfen Blut sind’s nun geringer.

 

Da wacht sie auf, sieht‘s Rot im Schnee

und denkt sich: ‚Wenn ich das hier seh‘,

dann wird ein Mägdlein mir geboren,

so rot wie Blut, das ich verloren.

 

Und weiß wie Schnee, das macht uns stolz.

Und schwarz noch, wie das Ebenholz.“

Sie eilt zum König, dies zu melden,

daß sie nun Mutter wird in bälden.

 

Da freut sich unser König sehr,

holt gleich ‘ne ganze Heerschar her

von alten Weibern und Doktoren,

damit das Kind nicht geht verloren.

 

Als dann die Zeit ist angebrochen,

nach eben jenen Hoffnungswochen,

da bringt die Frau ein Kind zu Welt,

von dem man lange noch erzählt.

 

Sie selber hat es nicht verwunden,

all ihre Lebenskraft ist unten.

Schaut noch mal auf mit letzter Kraft,

dann hat der Tod sie hingerafft.

 

Wie soll das Volk im Lande denken?

Kaum konnt‘ sie neues Leben schenken,

schon herrscht im Haus und der Natur

das schwarze Tuch vom Trauerflor.

 

Ein Jahr lang herrscht die Kummerzeit,

doch eine Mutter braucht die Maid.

Dem alten König ist das Recht,

doch weiß er nicht, ob gut, ob schlecht.

 

Die neue kommt mit viel Bumm Bumm,

und jede Menge Brimborium.

Kaum daß sie eintraf hier im Haus,

sah es schon bald nach ihrem aus.

 

Besonders abends, wenn alles schlief,

sie heimlich zu ‘nem Spiegel lief.

Der hing versteckt an einer Wand;

konnt‘ sogar sprechen allerhand.

 

Die Neue, schlank wie eine Made,

fragt ihn sogleich: „In diesem Staate,

bin ich doch wohl die Schönste hier.“

„Frau Königin, Ihr seid die Zier.“

 

Gerade das, das wollt‘ sie hören.

Nichts andres konnte sie betören.

Und so vergingen Tag und Jahr.

Dem Volke wird so manches klar.

 

Doch wer hört schon auf seine Armen.

„Die können doch immer nur barmen.“

beschwichtigt stets die Herrscherin,

wenn König kommt mal dies in Sinn.

 

An einem dieser „schlimmen“ Tage,

stellt Königin bewußte Frage.

Der Spiegel, der nicht lügen kann,

fragt sich: ‚Wie stelle ich es an?‘

 

und spricht es dann doch frei weg aus:

„Schneewittchen schöner ist im Haus.“

Die böse Frau kann es nicht glauben

und will den Spiegel schon verschrauben.

 

Weil sie jedoch die Wahrheit kennt,

sie all sogleich zum Jäger rennt.

„Du bist verpflichtet mir zum Dienst,

auch wenn bislang du nicht erschienst.

 

Jetzt brauch ich dich für eine Sache.

Die führst so aus, als ob ich‘s mache.

Führ das Schneewittchen in den Wald

und mach sie dort für immer kalt.

 

Bring als Beweis mir dann ihr Herz.

Hör du gut zu, das ist kein Scherz!“

Dann ließ sie ihren Jäger stehen,

der mußte zu Schneewittchen gehen.

 

Er traf sie auf dem Burghof an,

gab sich dort wie ein guter Mann,

hob sie auf ’s Pferd mit beiden Armen

und kannte scheinbar kein Erbarmen.

 

Jedoch, je länger sie dem Walde

kamen, dämmerte es ihm balde,

sein Auftrag wohl nicht das Rechte.

Die Hohe Frau steht für das Schlechte.

 

Wie immer steht in einem Märchen,

daß beide als ein ungleich Pärchen

sich in des Waldes tiefsten Winden

ganz ohne Ratschlag wiederfinden.

 

Da trifft der Jäger den Entschluß,

wie er entscheiden jetzt sich muß:

„Mein Kind, ich kann dich nur verschonen.

Wird auch dein‘ Mutter mir nicht lohnen,

 

weil ich nicht steh für ihren Wahn.

Es ist fürwahr ein teuflisch Plan.

Wie man so sagt, ich kann‘s nicht leiden.

Werd einem Reh das Herz ausschneiden.

 

Wohl dir, Schneewittchen. Recht viel Glück!

Kehr niemals in dein Heim zurück!“

So sprach er und verzog sich leise.

Das Mädchen setzte fort die Reise.

 

Niemand soll denken, das wär leicht.

Schon bald hat’s Girl das End erreicht

von ihrer allzu schwachen Kraft.

Ein Wunder schon, was sie geschafft.

 

Doch auch in unsrer schwersten Stunde,

ist oft Fortuna mit im Bunde.

Kein Hindernis ihr Fallen stellt;

nur gute Tiere auf der Welt.

 

Der Tag schleicht sich dem Ende zu.

Die Königstochter sucht sich Ruh.

Da sieht sie hinter sieben Bergen

sich eine Hütte kaum verbergen.

 

Sie eilt, man kann es schon so sagen,

schnell darauf zu mit leerem Magen.

Bald ist sie dort auch eingetroffen,

zum Glück steht gar die Pforte offen.

 

Nur seltsam ist die Tür so klein.

Das junge Mädchen paßt kaum rein.

Auch drinnen ist nicht reichlich Weite,

Oft eckt sie an mit ihrem Kleide.

 

Gleichwohl, das ist nicht von Belang.

Zum Tische geht ihr erster Gang.

Mitnichten ist dort etwas groß.

Paßt alles fast in ihren Schoß.

 

Ein wenige nimmt sie von der Speise.

Zur Stärkung nach der langes Reise.

Dann sucht sie in dem nächsten Raum

für sich ein Bett und einen Traum.

 

Das größte Bettchen muß sie nehmen.

Braucht sich deswegen nicht zu schämen,

da alle andren viel zu klein.

Wer mag des Hauses Herr bloß sein?

 

Noch ist der Tag nicht ganz zu Ende,

da neigt sich schon des Rätsels Wende

zu seiner lustig Lösung zu.

Die Hausbewohner nah‘n im Nu.

 

Genau so klein wie ihre Hütten,

kommen die Zwerge angeschritten.

Im Gänsemarsch von groß bis klein

begeben sie sich in ihr Heim.

 

Kaum sind sie drin, in ihrem Zimmer,

beginnen sie mit dem Gewimmer.

Daß da wohl jemand ist gewesen,

der nicht gemacht viel Federlesen.

 

Der trank von hier und aß von dort

und stellte gar das Stühlchen fort.

Der Löffel ist wohl auch benutzt

und Gabel, Messer sind beschmutzt.

 

Das sonderbarste von dem allen,

ist schließlich ihnen aufgefallen.

Im Bettchen von dem größten Zwerg,

schläft sanft ein Mädchen wie ein Berg.

  

Nun kommen alle schnell heran,

um das zu seh’n, was sie nie sah’n.

„Ei, wie ist doch das Kind so schön.

Laßt uns ganz still zur Ruhe geh’n.“

 

Das sprach der Größte wie ein Boß.

Er war’s wohl auch, trotz ohne Roß.

Sie legten sich in ihre Daunen.

Zwei teilten eins, mit leichtem Raunen.

 

Frau Morgensonne weckt die Glieder.

Waldvögel singen draußen Lieder.

Das Mädchen schlägt die Augen auf

und schaut auf Zwerge, die zuhauf

 

sich aufgestellt an ihrem Bett.

Nach erstem Schreck sind sie doch nett.

Man macht sich auch sogleich bekannt.

„Schneewittchen werde ich genannt.“

 

Alsbald muß die Prinzeß erzählen,

auch wie sie tat ihr Häuschen wählen.

Das brauchte kaum wohl eine Stunde.

Die Zwerge raten ihr als Runde:

 

„Nimm dich vor Königin in Acht!

Ist niemand hier, der dich bewacht.

Wir müssen in den Berg einfahren,

wie’s üblich ist seit tausend Jahren.“

 

Schneewittchen verspricht in die Hand,

daß sie das alles wohl verstand.

„Wenn keinen ich werd rein hier lassen,

kann auch die Böse mich nicht fassen.“

 

Mit etwas Angst, doch frohem Mut,

geh’n fort die Zwerge: „Es wird gut.

Wenn abends kommen wir nach Haus,

sieht schöner unser Hüttchen aus.“

 

Die Stiefmutter im fernen Reiche

ist derweil noch dieselbe, gleiche.

Sie tritt an ihren Spiegel ran

und schaut sich ihre Schönheit an.

 

Doch als sie fragt nach dem Register

sagt dieser ihr wie ein Magister,

daß hier sie hat ein schön Gesichtchen,

doch schöner sei das vom Schneewittchen.

 

„Sie wohne jetzt wohl bei den Zwergen,

dort hinter jenen sieben Bergen.“

Da fährt herum die böse Alte:

„Es war nicht sie, die er abknallte.

 

Der Jäger hat mich arg betrogen.

Ist deshalb auch schnell fortgezogen.

Nun muß ich alles selber tun.

Kann eher sonst nicht heiter ruhn.“

 

Sie rennt in ihre Hexenkammer.

Was sie dort treibt, ist schon ein Jammer.

Sie nimmt sich viele bunte Bänder,

zu schmücken farbige Gewänder.

 

Verwendet Gift aus der Phiole,

auf daß das Kind der Teufel hole.

Dann zieht sie sich was altes an,

damit niemand sie kennen kann.

 

Bald steht sie vor der Zwergenhütte,

hält ihren Korb vor ihre Mitte

und ruft mit alten Händlerworten:
„Hab Bänder hier in vielen Sorten!“

 

Schneewittchen ist nur eine Frau.

Das weiß die Alte sehr genau.

Schon öffnet sich das eine Fenster.

„Bei Tag gibt’s keine Nachtgespenster“,

 

sagt sich das Mädchen ohne Sorgen.

„Die Zwerge werden mir’s schon borgen.

Kommt nur herein, Ihr gute Frau,

damit die Waren ich beschau.“

 

Nicht zwei Mal läßt die Hex sich bitten,

schon steht sie drin, in Zimmer Mitten.

Auch hat sie schnell das tödlich Band

in ihrer skrupellosen Hand.

 

„Um deine Hüfte werd ich’s legen.

Dann wird es sein ein wahrer Segen.“

Doch kaum das Band ist zugezogen,

fällt um das Kind im hohen Bogen.

 

„Nun ist’s mit deiner Schönheit aus“,

nimmt flugs die Schlechte jetzt Reißaus.

Sie will zu ihrem Spiegel hin,

„auf daß ich jetzt die Schönste bin!“

 

Die Zwerge kommen, wie geplant,

am Abend heim und nichts geahnt.

Doch als sie sehen sie da liegen,

sind aufgeschreckt sie wie die Fliegen.

 

„Was für ein Leid ist ihr geschehen.

Zum Glück kann ich kein Blut hier sehen.

Nur weiß ich dieses Band hier neu

und glaub, es dient ihr gar nicht treu.“

 

Kaum ist sie von dem Band befreit,

Schneewittchen einmal kurz aufschreit

und sieht sich ihren Zwergen nah.

Die wollen wissen, was geschah.

 

Nachdem sie dies erzählt den Zwergen,

da wissen die, wer tat verbergen

sich hinter falscher Händlerzunft.

„Sei achtsam mehr in der Zukunft!“

 

Wir können indes schon erahnen,

was Königin erneut will planen,

nachdem sie vor dem Spiegel stand

und das Schneewittchen lebend fand.

 

Erneut sich in den Raum verzogen,

wo Hexensuppen dampfend wogen,

braut sie ein neues Zaubermittel,

das sie versteckt in ihren Kittel.

 

Ein neuer Tag, ein neues Glück

fällt auf den Mutigen zurück,

der ohne List und böses Sinnen

sein Tagwerk will von neu beginnen.

 

Nochmal ermahnen sie das Mädchen,

daß hier, obgleich weit weg von Städtchen,

nicht alles ohne Hinterlist

und falsche Gunst beisammen ist.

 

Zur Arbeit schreiten sie beklommen,

ob, wenn sie dann nach Hause kommen,

das Mädchen noch bei allen Kräften

und ausgefüllt mit ihren Säften.

 

Schneewittchen putzt das Häuschen schön

und will nach frischem Wasser geh‘,

als draußen vor der Tür sie hört

ein Mütterchen, schon leicht verstört:

 

„Ich armes Weib, was tut mein Mann,

wenn ich nach Haus komm mir wohl an.

Nicht einen Kamm konnt ich verkaufen.

Muß ohne Geld nach Hause laufen.“

 

„Du arme Frau, es tut mir leid.

Ich wäre schon zum Kauf bereit.

Doch werden mich die Zwerge schelten,

wenn ich ihr Lieb tät so vergelten.“

 

„Das will ich nicht, mein liebes Kind.

Bin auch gleich weiter wie der Wind.

Nur laß mich dich mal kurz beschauen.

Am Fenster wirst du mir doch trauen.

  

Ob ich dir nicht was schenken kann.

Mein Mann ist schließlich nur ein Mann.“

„Selbst das vermag ich nicht zu nehmen.

und müßt ich mich deshalb auch schämen.

 

Einen Blick jedoch kann ich schon wagen.

Das kann kein Zwerg mir recht versagen.“

Drauf öffnet sich die Fensterscheibe.

„Passiert schon nichts, wenn drin ich bleibe.“

 

„Komm etwas näher an das Licht,

versage mir die Freude nicht.

Hab nie ein schönres Kind gesehen.

Der Kamm hier wird dir prima stehen.“

 

Noch eh die Maid hat sich bedacht,

ist ihr der Kamm ins Haar gebracht.

Und gleichsam wie mit Blitzesschnelle,

fällt ‘s Mädchen um an dieser Stelle.

 

Wie tags zuvor die Zwerge hoffen,

die Maid wird lebend angetroffen.

Sich zeigt die Hoffnung trügerisch.

Schneewittchen liegt stumm wie ein Fisch.

 

Zwar wird ein Gürtel nicht gefunden,

doch dauert es nur zehn Sekunden,

bis daß der Kamm wird dort entdeckt,

wo er im Haar verderblich steckt.

 

Erneut erwacht der Leib zum Leben.

Nun muß es wirklich Schelte geben.

„Ich ließ doch niemand rein ins Haus.

Ich steckte grad den Kopf hinaus.“

 

„Du must viel besser darauf achten,

Was wir als Mahnung dir bedachten.

Die Zauberin ist voller Schliche

und sinnt, daß Leben dir entwiche.

 

Wir trauen uns gar nimmer fort,

von unsrem einst so sichren Ort.

Doch diese Arbeit, unsre Art,

gehört zu uns, wie unser Bart.“

 

„Ich werde euch hiermit versprechen,

die Vorsicht niemals mehr zu brechen.

Egal, wer vor der Türe steht,

soll bleiben dort, von früh bis spät.“

 

Wer jemals sich was vorgenommen,

weiß, daß es leicht nicht ist zu kommen

in die erwünschte Position.

Die Last scheint schwerer oft als Lohn.

  

Als nunmehr hat die Zauberin

gesehen, wie erdachter Sinn

erneut erfüllt nicht hat den Zweck;

holt neues Gift aus dem Versteck.

 

Zum dritten Mal geht sie auf Fahrt.

Zum dritten Mal in fremder Art.

Doch diesmal stellt sie es so an,

daß dem das Kind nicht wachsen kann.

 

In einem Korb, voll Äpfel, süße,

vergiftet sie die Hälfte. Diese

ist dann ganz rot und voll Geschmack.

Die andre ist ganz ohne Lack.

 

Wiederum zur Mittagszeit

steht sie an dem Haus bereit.

Bietet an das Obst ganz fein.

Trübt dabei kein Wässerlein.

 

Diesmal ist sie voll von Arg,

das Schneewittchen, das einst zart.

Läßt sich überhaupt nicht sehen.

Hexe bleibt vorm Hause stehen.

 

Steter Tropfen höhlt den Stein

und das Mädchen ist allein.

Auch die Äpfel sind ein Schmaus.

Sehen ganz schön lecker aus.

 

Dennoch hält sie sich ans Wort.

Schickt das falsche Weibchen fort.

Doch bevor die weitergeht,

bleibt sie stehen und erspäht

 

das Schneewittchen an der Luke,

fast bereit zum Giftbetruge.

„Willst du nicht die Apfelseite?

Schau, wie ich ihn hier durchschneide.

 

Ich esse ihn vor deinen Augen.

Prüf du gut nach, ob sie was taugen.“

Das nimmt dem Mädchen alle Scheu

Schon eilt sie hin, wie Vieh zum Heu.

 

Und beißt hinein. Der böse Saft

nimmt ihr sogleich die Lebenskraft.

„Nun hat’s sich endlich ausgeschönt!

Nichts gibt es, was ihr Zwerge könnt.“

 

Grad so, als ob sie es erahnen,

steht Furcht auf allen ihren Fahnen.

Viel eher als in frührer Zeit,

sind sie zum Aufbruch heut bereit.

 

Doch diesmal hat die Hexenlist

bewiesen, was sie wirklich ist.

Trotz allem Suchen, vielen Stunden,

wird nicht das kleinste Arg gefunden.

 

Die Zwerge weinen sieben Tage.

Dann bauen sie ihr eine Trage,

die ganz aus Glas von unten, oben.

Damit sie ihr die Schönheit loben.

 

Kein Fältchen kann der Tod ihr bringen.

Die Männer auf dem Berge singen

den ganzen Tag ihr traurig Lied.

Derweil ein Prinz vorüber zieht.

 

Auf seinem edlen weißen Rosse

hat er entfernt sich von dem Trosse,

der seine Jagdgesellschaft füllt.

Er auch sich nun in Schweigen hüllt.

 

Als er die Schöne dann erblickt,

ist er davon gänzlich entzückt.

Gern nehm er sie als seine Frau,

auch wenn sie tot, in seinen Bau.

 

Ob‘s gleich die Zwerge gern nicht sehen,

sie müssen sich doch eingestehen:

„Im Wald der Sarg nicht bleiben kann,

so nehmt ihn mit, Ihr guter Mann.

 

Doch eines möchten wir erbitten.

Wir haben um sie so gelitten.

Daß wir sie tragen zu dem Schloß.

Begleitet uns auf Eurem Roß.“

 

Nichts hat der Königssohn dagegen

und als die Zwerge woll’n bewegen

den Sarg mit dem Schneewittchen drin,

da fällt der eine Zwergmann hin.

 

Das Glas zerspringt in tausend Teile.

Die Schönste rollt noch eine Weile

den Waldweg runter grade aus.

Das Apfelstück springt schnell heraus.

 

Die Zwerge schimpfen miteinander

grad wie die Gänse mit dem Ganter

und können deshalb nichtens sehen,

Wie das Schneewittchen auf will stehen.

 

Der junge Prinz ist fürwahr schneller.

Er hebt sie auf, der Blick wird heller.

Als sie sich in die Augen sehen,

ist es um beider Herz geschehen.

 

Was ist das für ‘ne helle Freude.

Die Hochzeit wird geplant schon heute.

Und alle sind dazu geladen,

von fernen, wie von nahen Pfaden.

 

Was war mit Königin inzwischen?

Sie ließ vom Spiegel ihr auftischen,

daß nur allein die Schönste sie,

im ganzen Land, ob dort ob hi.

 

So hat sie mit der Zeit versäumt,

daß nun ihr Traum ist ausgeträumt.

Auch als sie von der Hochzeit hörte,

das keineswegs sie etwa störte.

 

Man lud zur Feier sie gar ein.

Und sie, sie macht sich extrafein.

Sie nimmt auch ihren Gatten mit,

dem schwer es fällt, zu halten Tritt.

 

Doch als sie beide sind im Saal,

versteinert sie mit einem Mal.

Sie glaubt dem nicht, was sie gesehen,

und konnte es auch nicht verstehen.

 

Nur kommt sie so leicht nicht davon.

Auf den Befehl vom Königssohn

wird sie gesteckt in glühend Schuhe.

Sie tanzt sich tot; und nun ist Ruhe.

 

  

 [2009]