Märchen

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Der gestiefelte Kater

Ein Müller hatte Söhne drei

als Witwer und kein Weib dabei.

Doch gab es einen Esel noch

und eine Katz am Mauseloch.

 

Sie mußten zäh ihr Leben fristen

und manche Nöte überlisten.

Gleichwohl, es hält der Zahn der Zeit

für jeden von uns was bereit.

 

So ist zu geben Erben Pflicht,

wenn dereinst aus das Lebenslicht.

Dem können wir uns nicht verwehren,

weil unsre Kräfte uns verzehren.

 

Der Müller zog nach Holzkisthausen,

kam nimmer heim, blieb immer draußen.

Und seine drei, die mußten seh’n,

wie sie allein die Welt besteh’n.

 

Doch blieben sie nicht lang beisammen

und teilten auf die Erbschaftswannen.

Das taten sie ohn‘ viel Geschrei;

auch war ein Anwalt nicht dabei.

 

Der älteste bekam die Mühle,

damit er sich auch rechtens fühle.

Sein Bruder, der nach ihm gekommen,

hat schnell den Esel sich genommen.

 

Dem Jüngsten blieb der schwache Trost,

daß nicht der Kater ward verlost.

Schien auch die Katz ihm nicht viel wert,

hätt‘ er den Kirschner gern beehrt.

 

„Wenn mir die Finger wärmt sein Fell,

reicht’s Erbe aus, eventuell.

Was danach kommt, das kommt danach.

Da hilft kein Jammern, Weh und Ach.“

  

Kaum war entfernt vom Heimatorte

der junge Bursch hört er die Worte

die märchenhaft vom Kater stammen:

„Tun wir uns besser doch zusammen.

 

Anstatt mein Fell zu schlechtem Zwecke,

kauf ein Paar Stiefel mir. Ich hecke

da schon was beßres für uns aus,

daß wir alsbald im großen Haus.“

 

Dem Müllersbursch verging das Lachen.

So etwas mit ihm hier zu machen.

Doch weil er grad dem Schuster nahte,

erwarb er ‘s für des Katers Wade.

 

Den letzten Heller gab er hin

und zweifelte an seinem Sinn.

Nichts war mehr da für Brot und Wurst,

nichts gegen Hunger, gegen Durst.

 

„Jetzt gib mir deinen Wandersack

und frage nicht. Mach hin, zack, zack!“

Das sprach der Kater auf zwei Beinen,

grad wie ein Käpt’n vor den seinen.

 

Die Tür war für ihn schnell erreicht

und auch das Rausgeh’n schien ganz leicht.

Es dauert keine drei Sekunden,

daß Müllers Kater war verschwunden.

 

Im Lande herrscht dereinst ein König,

dem galt ein Rebhuhnmahl nicht wenig.

Doch wie’s halt oft ist hier im Leben,

was gern man hätt', scheint’s nicht zu geben.

 

Auch wenn’s sie gab, sie waren schlauer

als Königs Jäger, Königs Bauer.

Derweil mit tückisch Katzenlist

ist’s anders, wie ihr es wohl wißt.

 

Er breitete das Säckchen aus,

steckt Stock hinein, legt Schnur heraus.

Dann streut er fleißig Korn vom Weizen,

um hiermit Rebhuhns Gier zu reizen.

 

Die kamen auch gleich angeflogen,

nachdem der Fänger sich verzogen

hat hinter einen dichten Strauch.

Dort lag er wachsam auf dem Bauch.

 

Das Federvieh war ohne Arg

und pickt das auf, was einst verbarg

der Sack der nunmehr dient als Falle.

Am Ende hat der Kater alle.

 

Nachdem das Leinen zugezogen,

ward es geschultert, ausgewogen.

Auch wenn es drinnen stark rumort,

flugs ging es hin zum Königsort.

 

Ein ernster Spruch zu dessen Wache:

„Bring er zum König mich. Die Sache,

die da noch steckt in Sackes Bauch,

dient ganz allein Monarchen Brauch.“

 

Als Mietze vor dem Herrscher stand,

gab sie sich vornehm und galant:

„Es sei gegrüßt mit höchsten Ehren

der Landesfürst. Er mag nicht wehren,

 

daß ihm sein Graf, ein edler Mann,

hier dies Geschenk darbieten kann.

Damit er aller Welt beweise,

nur Rebhuhn ist die schönste Speise.“

 

‚Ach dumme, höfisch Etikette.

Wenn ich sie auf dem Tisch erst hätte‘,

ersann der Souverän für sich

und laut: „Schau, dieses Gold für dich!

 

Und richte deinem Herren aus,

er sei bedankt für diesen Schmaus.

Sollt‘ er sich mal hierher bewegen,

so käme Uns das sehr gelegen.“

 

Mit edlem Glanze schwer beladen

schlich sich der Kater auf den Pfaden,

die ihn zu seinem Herren führten

und seine Tat als Wunder kürten.

 

„Hier hast du, Herr, in Zinses Zinsen,

all das zurück, laß ab vom Grinsen,

was du mir morgens hast gegeben.

Doch woll’n nach Höherem wir streben.

 

Für heute geh‘n wir flugs zur Ruhe

und träumen von 'ner vollen Truhe,

die wir alsbald in deinen Händen,

wenn nichts geht schief, dort wiederfänden.“

 

Nach einem wonnevollen Schlaf

ermahnt der Kater seinen ‚Graf‘,

nur recht schön hier auch aufzupassen

und diesen Wald nicht zu verlassen.

 

Alsbald schon jagt die Katze wieder

so manches Rebhuhn als Gefieder.

Damit es seinem König mundet.

Er ihm sogar die Kosten stundet.

 

Nun ging es Tag für Tag so weiter

und Ihro Majestät ward heiter

immerfort zu jeder Stunde.

Zeigt gar‘s Töchterlein der Runde.

 

Wollt dann auch, seit wieviel Jahren,

wieder mit der Kutsche fahren

durch das Land und durch die Wälder.

Fühlt sich jünger, anstatt älter.

 

Als das hat die Katz vernommen,

glaubte sie, die Zeit ist kommen,

für die nächsten Handlungstaten.

Seinem Herrn konnt‘ er nur raten:

 

„Spring sogleich ganz ohne Sachen

in den See und laß mich machen.

‚Und sobald ist das geschehen,

wird kein Mensch die Kleidung sehen.‘“

 

Wie es erdacht, wird es getan.

Schon bald hört man die Kutsche nahn.

Schon bald, wie laut der Kater schreit:

„Helft uns ihr Leute! Welch ein Leid!“

 

Nach Befehl von Königs Gnaden,

hielt das Fahrzeug an Gestaden

jenes Sees mit kühlem Wasser;

drin der Müller, nackt und nasser.

 

„Helft, oh König, meinem Grafen.

Welches Schicksal will hier strafen,

daß im Wasser er hier badet,

Adam gleich durchs Schilfgras watet?

 

Als hinein sprang er ins Feuchte,

kam ein Dieb her, wie mir deuchte.

Nahm des Grafen Kleidung fort.

Niemals kann er mehr vom Ort.

 

Wenn Majestät nicht ihm vererben

ein wenig Schutz, so muß er sterben.“

Was sollte da der König machen?

Er schickte Reiter aus, nach Sachen.

 

„Bis dahin soll er ‘n Zobel nehmen.

Er braucht sich auch nicht erst zu schämen.

Steig er nur ein, mein lieber Graf.

Mein Töchterlein ist lieb und brav.“

 

Inzwischen eilt der Kater weiter

und läßt zurück die Truppe heiter.

Durchpflügt dabei die Wiesen, Auen;

muß vielerlei Gefolgschaft schauen.

 

„Wem ist wohl all dies Land zu eigen?“

fragt er die Leute, die sich neigen,

vor seiner herrischen Gestalt.

Wer das nicht tut, wird wohl nicht alt.

 

„Dem Zauberer“, hört er es schallen,

von allen Seiten widerhallen.

„Dem Zauberer auf seinem Schloß

gehört es wohl als Lehn und Troß.“

 

Nicht lange überlegt der Kater.

Belehrsam wie ein guter Vater

verbessert er den dritten Stand:

„Der Graf ist Herr von Stadt und Land!

 

Wenn bald der König hier eintrifft,

dann sagt es wohl, als sei’s die Schrift.

Doch solltet ihr mir das verweigern,

wird euer Nachbar euch ersteigern.“

 

So gut versorgt mit Für und Wider

erhob das Landvolk seine Glieder

und lobt und preist von weitem schon

des Grafen Herrlichkeit und Lohn.

 

Langsam wurde dürr das grüne

Gras am Rande wie als Sühne

für das protzige Verschleißen

der Natur; sie mußt vereisen.

 

Eine Burg, auf hohem Steine,

hielt der Zaubrer sich alleine,

an der Straße letztem Ende.

Kaum glaubt man an eine Wende.

 

Unser Kater unterdessen

scheint das Fürchten ganz vergessen.

Stiefel sind aus rotem Leder,

was bezeugt, er sei ein Jäger.

 

Alsbald ist der Fels erklommen

von dem Kater, wie ersonnen.

Dieser steht, wie ferngeleitet

gleich vor'm Zaubrer, der sich breitet.

 

„Was willst du sonderbarer Wicht

hier in dem sonst so stillen Licht?

Hast du auf verrückte Weise

den Wunsch, daß ich dich jetzt verspeise?“

 

„Oh, hör mich an, du groß Magie,

ich hörte von dir, spät bis früh.

Hörte dich von allen loben.

Frei! Ich kann es nicht recht – globen.“

 

„Du wagst es, du erbärmlich Wurm,

zu trotzen mir und meinem Sturm?!“

„Nicht Zorn will ich von dir erwerben.

Nur lernen! Oder rechtlos sterben.“

  

Das nun gefiel dem alten Brauser

und er versank zum kleinen Hauser.

Er neigt sein Ohr dem Stiefelmann

und fragt, was er ihm zeigen kann.

 

„Etwas normales will ich glauben.

Wie Hund und Fuchs und Wolfes Schnaufen.

Doch geht es auch als Elefant?

Mir scheint, das wär‘ schon allerhand.“

 

Da lacht der Geist, die Balken krachen:

„Fast ist’s zu leicht, um es zu machen!“

Und schon steht da das Tier so groß.

Die Katz entrinnt dem Stoßzahnstoß.

 

„Oh ja“, läßt Katerchen verlauten,

„das ist schon mehr als viele schauten.

Doch wenn ich’s mir so recht bedenke,

war’s leicht. Beim Löwen bist am Ende.“

 

Es kracht erneut und schon verschwunden

das graue Tier und nach Sekunden,

während ich es hier erwähne,

schüttelt Leu seine mächtig Mähne.

 

„Wenn weiter du nicht denken kannst,

als an so leichtes, hast verfranzt

dein Leben jetzt und auf der Stelle“,

brüllt auf der Löwe scheinbar helle.

 

„Halt ein, mein Herr! Ein letztes Mal

will sehen ich vor meiner Qual

wie du dich in ganz klein verwandelst.

Dann ist mir gleich, wie du mich handelst.“

 

Der Zaubrer überlegt nicht lange.

Denkt scheinbar nur an eine Schlange

und wie er macht dem Gast Garaus.

Der wünscht sich eine kleine Maus.

 

Kaum ist der Donnerhall verklungen,

ist auch der Kater schon gesprungen

direkt auf jenes Mausgetier

und fraß es auf, ohn‘ ob und für.

  

Da krachte es an allen Ecken.

Kein Winkel gab es zum Verstecken.

Und als dann aller Lärm vorbei,

warn endlich die Verwunschnen frei.

 

Auch hat die Burg sich echt verwandelt.

Denn wer mit finstren Mächten handelt,

der muß am Ende mit ansehen,

daß seine Werke untergehen.

 

Inzwischen waren fern vom Orte

des Grafen Kleidung da, doch Worte

kaum zwischen ihr und ihm sich fanden.

Nicht nötig. Sie sich so verstanden.

 

Da beider Augen nur sich sahen,

gewahrten sie auch nicht das Nahen

des neuen Landes mit viel Holz.

Und all die Menschen schienen stolz.

 

„Wer ist von all dem Land der Herr?“

erstaunte es den König sehr.

„Wir sind die Kinder von dem Grafen.

Der uns mehr liebt als Büttelstrafen.“

 

Ob nun der Troß den Wald durchquerte,

ob Felder, Wiesen, Seen beehrte,

ein jedes Mal, wenn Majestät

befragt das Volk, es gleich besteht.

 

Nun kommen sie gar an den Ort,

wo früher herrschte Tod und Mord.

Doch jetzt erstrahlt hier Glanz und Wonne,

fast schöner noch als Frühlingssonne.

 

Es neigt sich nun des Königs Haupt

vor dieser Pracht. Nichts scheint verstaubt.

Der Graf scheint reicher noch als er.

‚Das gehört zusammen, bitte sehr.‘

 

Weil gleichsam seine Tochter hold,

sehr zugetan vom Grafen Gold,

das schimmert nicht nur aus dem Haar,

gibt‘s Hochzeit noch im gleichen Jahr.

 

Und als der alte König starb,

der neue nicht lang darum warb,

daß ihn das ganze Volk verehrte.

Sein Kater Wohlstand rasch vermehrte.

 

So geht die alte Mär zu Ende.

Vom Kater, der die Modenwende

zu Freundes Vorteil hat genutzt.

Ob der ihm wohl die Stiefel putzt?

 [2009]