Märchen

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Des Kaisers neue Kleider

 

Einst ging ein Kaiser nach der Mode,

durchlebte jede schlimme Zote,

gab aus, was er an Bargeld hatte,

für Hemd und Hose, Stiefel, Jacke.

 

Für Mantel, Strümpfe, Rock und Hut.

Zwei Stunden gleich? Das war nicht gut.

Dann noch die Salben und die Puder,

die Wässerchen und Duftholzfuder.

 

Von allem aus der ganzen Welt

hat er sich stets was neu bestellt.

Kein Accessoire, kein Schmuck und Zier

genügte seiner Kleidungsgier.

 

So gingen eigens in dem Land

oft Schneider, Schuster ihm zur Hand

und boten ihre Künste feil.

Nicht grade billig jedes Teil.

 

An einem frühen Morgen dann

kamen auch just zwei Weber an,

die sich landaus und -ein wohl brüsten,

was alles sie beherrschten, wüsten.

 

Das hörte jener Herrscher auch

und folgte seinem eignen Brauch.

Er ließ die beiden zu sich kommen.

„Was habe ich von euch vernommen?

 

Ihr könnt was weben, was sonst keiner?

Der nächste Ballen, der ist meiner!“

„Gewiß, Herr Kaiser. Ohne Worte.

Sogleich geh’n wir zum Arbeitsorte.

 

Soll es jedoch was beßres sein,

genügt nicht Wolle nur allein.

Es braucht vielmehr von jenem, diesem.

Dann könnt Ihr Unikat genießen.“

 

„Sagt nur“, sprach jener eitle Kaiser,

„was ihr verbraucht“, vor Freude heißer

und zappelig. „Und dies und das.

„Webt nur recht schnell. Was für ein Spaß.“

 

„Wir müssen freilich noch erwähnen:

der Stoff ist sichtbar nur für jenen,

der klug ist und im Amte recht.

Die andren sehen ’s nicht nur schlecht.

 

Sie sehen nicht den kleinsten Faden,

kein Knoten, nur der Lüfte Schwaden.

So können Eure Majestät,

erkennen, wie’s um Diener steht.“

 

„Fürwahr, fürwahr! Welch Aussicht lockt.

Dann weiß ich, wer am Hof falsch zockt.

Macht schnell, ihr Herren Weberleute,

daß ich die Stoffe schau noch heute.“

 

„Verzeiht uns bitte, Euer Gnaden.

wer zu schnell webt, webt nur mit Schaden.

Was wirklich groß gelingen soll,

das braucht schon seine Stunden voll.“

 

„Nun gut“, sprach aus der Landesvater.

„Ich mache hier kein Quatschtheater.

Nehmt euch die Zeit für eure Tat,

doch gebt mir noch den einen Rat.

 

Wie soll ich wissen, wie es steht

wenn ihr allein zum Weben geht?“

„Schickt Eure Diener, um zu sichten

und dann Euch alles zu berichten.“

 

Dem Kaiser ist der Rat genehm

und außerdem doch recht bequem.

„So sei es, meine lieben Schneider.

Schafft mir nur bald die schönsten Kleider.“

 

Alsbald sah man nur Schatten leben,

grad so als tät man spinnen, weben,

als schneidern gar mit flinkem Schnitt

und käme niemals aus dem Tritt.

 

Indes, wenn Kaisers Dienerschar

auch fragte nach, nie ward gewahr

sie auch den kleinsten Faden nur.

Hierbei blieben die beiden stur.

 

Nach Tagen, die an Neugier voll,

erbat Minister Eins: „Ich soll

die Herren fragen, wie der Stand;

ob sich bereits ein Kleidchen fand.“

 

„So kommt herein, Herr Hofmarschall,

und seht die Stoffe überall.

Doch bringt noch Gold in reichem Maß.“

sprach jener, der am Webstuhl saß.

 

„Bringt Silber mit und auch Juwelen.

An Luxus soll’s dem Kleid nicht fehlen.

Auch Perlen groß und lupenrein.

Es wird des Kaisers würdig sein!“

 

Der Staatsbeamte rannte schnell

und war mit Reichtum bald zur Stell‘.

Den schleppt herbei die Dienerschaft,

als ob das Land in Feindes Haft.

 

Dann endlich kam er, der Moment,

der scheinbar Klug- von Dummheit trennt.

„Jetzt wird ein jeder gleich erkennen,

daß ich mit Recht kann schlau mich nennen.“

 

Doch wie der Amtmann sich auch drehte,

kein Bild sich auf die Netzhaut legte.

Nicht eine Spur von Kleidern, Jacken,

von Rüschen, Spitzen und Schabracken.

 

Selbst auf dem Webstuhl schien nur Luft

und Hofmarschalls Eifer verpufft.

‚Sollt‘ ich wahrhaftig dumm nur sein?

Wohl nicht, denn Rettung fällt mir ein.‘

 

„Oh, welcher Glanz! Welch Harmonie!

Solch eine Kleidung sah ich nie.

Selbst Götter werden dies nicht tragen.

Ich eile flink es Ihm zu sagen!“

 

Bei seinem Herrscher angekommen

schwärmte er in den höchsten Wonnen.

Sprach oftmals gar von einem Wunder.

Da sprang der Kaiser selbst hinunter

 

zu der verschloss‘nen Arbeitskammer.

„Vernehmt ihr Künstler meinen Jammer.

Nicht länger will und kann ich warten.

Das Anprobieren muß man starten!“

 

Von drinnen hörte gleich man rufen:

„Wollt ausseh‘n Ihr wie Ochs auf Kufen?

Nicht eher, als das Werk vollbracht

kommt Ihr herein. – Noch eine Nacht.

 

Doch schickt, wenn Ihr nicht warten wollt

uns euren Hofstaat. Treu wie Gold

wird er Euch weiterhin berichten,

was er für Kleider hier kann sichten!“

 

Der Vorschlag wurde umgesetzt.

Wie wohl ein jeder gleich entsetzt,

daß er zu dumm und nicht geeignet

fürs hohe Amt. Doch gleichsam schweiget

 

ein jeder still von der Blamage;

reiht sich so ein in die Bagage,

die lauthals was sie nicht sieht lobt.

Während des Kaisers Neugier tobt.

 

Schluß endlich in des Morgens Stunden

war alle Gegenwehr verschwunden.

Man ging zum Herrscher, ihn zu kleiden.

Dem wurde anders, schon von weiten.

 

Wie sehr er sich auch anstrengt, starrt,

das was er sah war mehr als zart.

Nicht einen Faden konnt‘ er sehen,

geschweige denn, die Kleidung wehen.

 

Gleichwohl die Leute um ihn her,

die lobten jene Stoffe sehr.

So kam der Kaiser zu dem Schluß,

daß er wohl dumm, abdanken muß.

 

‚Doch wenn ich halte gute Miene,

glaubt jeder, daß ich ihn verdiene,

den Thron, auf dem ich nackt hier sitze.

Mein Gott, wie ich trotz Kälte schwitze!‘

 

Die beiden Fremden mit Geschmack

darboten Kleider, Roben, Frack.

Auch Strümpfe, Hosen, Bänder, Hüte.

„Das alles ist von bester Güte!

 

Seht nur, wie euch das Beinkleid schmückt.

Manch andrer Herrscher wär entzückt,

trüg er die Hälfte nur von diesen.

Auch werdet Ihr den Glanz genießen,

 

der sich von jener Pracht erhebt.

Fast ist’s, als ob Ihr traumhaft schwebt.

Und erst die Stiefel hier aus jenen …

Ihr braucht euch wahrlich nicht zu schämen!“

 

Dies sprachen flugs die zwei Halunken,

während die andren Leute trunken

vor Selbstbetrug nicht wollten glauben

und Spatzen lobten anstatt Tauben.

 

Der ganze Hof trat alsbald vor

das große schwere Städtetor,

wo jener Kaiser von dem Volk

verlangt, daß man ihm heute zollt

 

auch weiterhin jenen Respekt

wie ehedem und unbefleckt.

Ihn sollen alle Menschen loben.

Nicht nur auf seinem Schloßberg oben.

 

Daß dieses in der Tat geschieht

und nicht gar Unflat überzieht

des Herrschers Unantastbarkeit,

trat vor ein Herold, der da schreit:

 

„Nur wer ein braver Untertan

erkennt, daß unser Herr was an!

Wer allerdings im Dienst nicht redlich,

erblicket nichts, dem Land ist schädlich!“

 

So zog der Fürst mit viel Bumm-bumm

in seiner kleinen Stadt herum,

wobei ihn angenehm erfreute,

wie klug und rechtens seine Leute.

 

„Nicht einer sieht mich ohne Kleider.

Das waren wahrlich Wunderschneider.

Zwar sind sie früh am Morgen fort,

doch niemand weiß von ihren Ort.“

 

Da dieses sich der Kaiser sagte,

sich just ein Büblein zu ihm wagte.

Es blickt ihn ganz verwundert an:

„Was bist du für ein nackter Mann?“

 

Nun brach wie Wasser aus dem Fluß –

der ganze Hof wegrennen muß –

das Wissen hier in Stadt und Land:

des Kaisers Gut ist Unverstand.

 

[2010]