Märchen

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Hans im Glück

Niemand kann in der Welt was werden,

denkt er zu zeitig schon ans Sterben.

Nur wer froh lebte Tag und Nacht,

der hat es auch zu was gebracht.

 

Diesem Wahlspruch schloß einst sich an

der Hans; der Junge wurde Mann.

Er zog hinaus, da Lehrlingszeit,

und diente redlich, weit und breit.

 

Dann kam der große Augenblick,

daß er nach Hause wollt zurück.

Sein Meister war ihm wohl gewogen.

Er sprach: „Einst bist du hergezogen,

 

verschiedne Dinge zu erlernen.

Hattest den Kopf nicht voll von Sternen,

sondern bist stets mit deinen Füßen

(das läßt mich deine Mutter grüßen),

 

auf dem harten Boden geblieben.

Hast auch Feiern nicht übertrieben.

So denn nun gehe heim mit Glück

und nimm als Lohn aus Gold dies Stück.“

 

Das freute jenen Hans gar sehr,

denn jener Klumpen Gold war schwer.

„Dank Euch Meister und Meisterin!

Die sieben Jahre mein Gewinn

 

an Wissen und an Nützlichkeit.

Jetzt bin ich allzeit wohl bereit

für ‘s Leben in der großen Welt.

Zusätzlich Dank für dieses Geld!“

 

Hans schnürt sein Bündel, nimmt das Gold,

das er zuvor in Tücher rollt.

Dann tritt er frohen Mutes aus,

singt frisch ein Lied, hofft, bald zu Haus

 

zu sein mit seiner teuren Last.

Nach einer Meile macht er Rast.

„Zwar ist es so ein schöner Tag,

doch was ich mich schon lange frag,

 

wie soll ich bei der großen Hitze,

ob ich hier laufe oder sitze,

wenn mir das Wasser näßt die Stirn,

die Sonne weicht mir auf mein Hirn,

 

den großen Brocken heimwärts schleppen.

Mein Meister hielt mich für ’nen Deppen,

daß er mir diese Last ersann.

Für so was bin ich nicht der Mann!“

 

Alsbald erhebt Hans seine Beine.

Noch immer ist er ganz alleine

und wünscht sich nichts mehr als da wär,

ein Mann zum Tauschen, bitte sehr.

 

Fünf Meilen sind es nun inzwischen,

er muß den Schweiß viel öfter wischen

von seiner Stirn, aus seinem Nacken.

Kann kaum noch fest den Mammon packen.

 

Da sieht er nahen aus der Ferne

‘nen Reiter. „Das hätte ich gerne!

Ich bräuchte nicht zu Fuß zu wandern

und überlaß die Last dem andern.“

 

Sie waren kaum auf einer Höhe,

sprach unser Hans: „Wenn ich dich sehe

so hoch da droben glücklich sitzen,

indes wir Läufer barfuß schwitzen.“

 

„Ei, sag doch so was nicht zu mir“,

wiegt ab der Reiter auf dem Tier.

„Wenn freilich dir mein Pferd gefällt –

Was gibt’s du mir? Hast du viel Geld?“

 

„Freilich an Talern geht’s mir schlecht.“

Doch war‘s dem fremden Burschen recht,

daß jener große Klumpen Gold

als Tauschobjekt herhalten sollt.

 

„Wie mußt du dich statt meiner plagen,

während das Pferd mich sanft wird tragen?“

„Mein guter Herr, habt keine Bange,

bis ich daheim bin, braucht’s nicht lange.“

 

So trennten sich der beiden Wege:

Hans ritt gerade aus – nicht träge

lief der andre dem Walde zu;

Den Schatz zu schützen dort im nu.

 

„Wie schön ist es auf Rappens Rücken

und nichts gibt‘s, daß die Schultern drücken

könnte“, meint just in dem Moment.

„Auch ist’s mir gleich, ob Sonne brennt.“

  

Wer nun jetzt denkt, alles sei gut,

der kennt noch nicht des Pferdes Mut.

Saß vielleicht selbst noch niemals droben

und tat stets nur den Ritt blind loben.

 

So ging es unserm jungen Reiter.

Er kam vorwärts, doch selten weiter.

Nachdem es gut lief für sechs Meilen,

wollte das Roß im Kreis nur eilen.

 

Hans drückt die Schenkel, zieht die Zügel.

Nichts hilft und dann auf einem Hügel

fällt er herab aus großer Höh.

Ihm schmerzt nicht nur der kleine Zeh.

 

„Na, warte, Vieh! Dir werd‘ ich’s zeigen!“

will der Jockey erneut aufsteigen.

Mitnichten allerdings dem Tier

gereicht es heute ihm als Zier.

 

Es dreht sich immer weg vom Ort.

Der Bursche denkt an Pferdemord.

Bevor jedoch das Roß ist tot,

erscheint den beiden in der Not

 

ein Bauer, der ein Milchrind zieht

und schon von weit das Chaos sieht.

„Na, junger Mann, wird das was werden?

Nicht jedes Glück liegt aus den Pferden.

 

Willst du nicht lieber meine Kuh?

Dann hast du vor dem Klepper Ruh!“

Voll Ärgernis in seinem Bauch,

schlägt ein der Hans nach altem Brauch:

 

„Hier hast du, was man Glück einst nannte.

Ich lieg nicht gern im Heidesande.

Doch kommst du auch mit ihm zurecht?

Jetzt schaut es brav, doch ist es schlecht.“

 

Der Landmann nahm des Rosses Leine.

„Es wird schon gehen, wie ich meine.

Du tauschtest wahrlich mit Bedacht.

Von dem Gemüt ist Liese sacht.

 

Auch gibt sie Milch für viele Tassen

und wenn du sie einst schlachten lassen

wirst, hast du Fleisch ‘nen großen Haufen.

Brauchst dieses nicht erst einzukaufen.“

 

Dem Hans gefiel, bei meiner Treu,

das wohl sehr gut und als Cowboy

setzt er zu Fuß die Reise fort.

Die Kuh im Schlepp am Ledergurt.

 

Nun braucht ein jeder Wandersmann

‘ne Stelle, wo er rasten kann.

Die findet Hans auf einer Bank;

just führte dort sein Weg entlang.

 

„Nun will zum Brot ich auch was trinken.

Komm Liese, halte still die Schinken!

Ich möchte nur das weiße Nasse,

das fließt, wenn ich dich hier anfasse.“

 

Gleichwohl gehorchte nicht das Rind,

denn melken kann nicht jedes Kind

von klein auf in der rechten Weise.

Gibt es für heute trockne Speise?

 

Wie es der Hans auch dreht und wendet –

es immer wieder fruchtlos endet.

Er zieht und zerrt schon ganz von Sinnen:

„Milch werde ich so nie gewinnen.“

 

Da tritt von hinten aus dem Schatten

ein Mann mit Schwein: „Wenn Sie gestatten,

aus diesem Euter fließt kein Tau

und wenn ich mir das Vieh anschau,

 

so lohnt sich kaum des Schlachters Messer.

Das alte Fleisch schmeckt keinem Esser.“

Er reicht dem Hans aus seiner Tasche

zum kühlen Trunk die Wasserflasche.

 

„Hingegen hier, sieh meine Sau.

So weiß ich doch schon ganz genau

was es mir bringen wird am Ende,

wenn ich mit ihr komm aus der Fremde.“

 

„Wenn dem so ist, möchte ich bitten

Euch, seht, ich hab schon viel gelitten,

nehmt meine Kuh, gebt mir das Schwein.

Ich werd‘ Euch ewig dankbar sein.“

 

„Warum sollte ich dieses machen?“

fragte der Mann mit leichtem Lachen.

Doch als vernahm er Hansens Wandel,

machte perfekt er den Kuhhandel.

 

‚Wie bin ich froh,‘ denkt Hans zum Schluß,

‚daß ich das Rind nicht schleppen muß.‘

Nun trennt man sich, ein jeder geht

flugs seinen Weg. Kein Windhauch weht.

 

Zwei Dörfer liegen hinter Hans,

da trifft er einen Bub mit Gans.

Der hält sie sorgsam fest am Schopf,

damit sie nicht entkommt dem Topf.

 

„Ich wünsche einen Guten Tag“,

antwortete ihm Hans. „Doch sag,

wohin willst mit dem Federvieh?

‘nen beßren Ganter sah ich nie.“

 

„Zu unsrer lieben Vetterschaft,

bring ich ihn hin, denn er bringt Kraft

in Arm und Bein und Seele auch.

Das ist bei uns schon lange Brauch.

 

Doch was hast du für eine Sau?

Ich kenne diese ganz genau.

Sie wird im ganzen Dorf gesucht,

als Diebesgut schon längst verbucht.“

 

Da wird dem Wanderer ganz bange.

„Mein Freund, ich hab sie noch nicht lange.

Ein Mann gab sie mir für die Kuh.

Wie das geschah? Hör mir gut zu.“

 

Nachdem all das ward wahr berichtet,

meint jetzt der Bub: „Ich hab gesichtet,

das Schwein allein in weiter Flur,

sag ich im Dorf. – Dir freie Tour.“

 

Ein Stein fällt von des Hansens Herzen.

„Ich werd die Sau schon leicht verschmerzen.

Doch wolltest du nicht zu dem Vetter?

Mußt mehrmals laufen bei dem Wetter.“

 

„Gewiß, mein Herr, das ist wohl Recht.

Jedoch der Vetter, da Ihr sprecht,

hat im Moment grad keine Sorgen.

Die Gans bekommt er eben morgen.

 

Für heute geb ich Euch die meine.

Nun macht Euch aber auf die Beine,

damit man mich allein nur sieht

und nicht ein Unheil noch geschieht.“

 

„Dank dir“, versetzt das Hänschen leise,

begibt sich auf die Weiterreise

und denkt darauf: ‚welch Glück hab ich,

daß mich der Bub nicht ließ im Stich,

 

sonst hätte mich schon bald der Greifer. –

Wer singt denn da? Ein Scherenschleifer?“

An einer Kreuzung von zwei Straßen

sieht er den Mann gemütlich spaßen.

 

Der hat ein Schleifbesteck dabei

und scheint besonders sorgenfrei.

Braucht sich um kein Tier lang zu mühen,

kann unbedarft durchs Leben ziehen.

 

Als Hans ihm gegenübersteht:

„Ich frag nicht erst, wie es dir geht.

Man sieht es ist ja wirklich leicht,

was mit Geschick man schnell erreicht.“

 

Gewiß freut es den Schleifer sehr.

Nicht oft kommt so ein Gast daher,

der noch dazu kann viel erzählen;

Der Händler scheint jetzt neu zu wählen.

 

„Bei meiner Ehr, Ihr habt wohl Recht!

Manch feinem Herrn geht es nicht schlecht,

so er nur hat ein Gänslein fein.

Ich, scheint es, hab nur einen Stein.

 

Doch gäb‘ ich ihn nur sehr schwer her,

käm‘ auch zu mir ein Millionär.

Es müßt‘ schon sein ein kluger Mann,

der wohl das weiß, was er gut kann.

 

Wenn ich Euch hier bei Lichte sehe,

grad Aug in Aug, in meiner Nähe,

dann weiß ich, muß nicht überlegen:

Der Stein hier bringt Euch reichlich Segen.“

 

Noch immer kann der Hans nicht glauben,

was alles ihm geschenkt wird. ‚Tauben

fliegen grad mir in meine Hände,

wenn ich schon glaub, ich sei am Ende.‘

 

So gibt der Junge sich noch reifer

und das Geflügel jenem Schleifer,

der mit diesem fernwärts strebt,

während Hänschen die Steine hebt.

 

Nicht mehr lange hat er ‘s zum Orte

seiner Heimat. Hofft dort auf Torte

und auf Milch und auch kühle Weine.

Denn schwerer noch als Gold – die Steine.

 

Inzwischen sinkt die Sonne nieder.

Dem Hans, dem schmerzen alle Glieder.

Da sieht er an des Dorfes Rand

‘nen Brunnen, der einst nicht dort stand.

 

Er eilt hinzu; dann auf die Mauer

legt er sein Werkzeug für die Dauer,

die er wohl braucht, um sich zu nässen.

Doch scheint er dieses zu vergessen.

 

Nach ein paar Schlucken aus dem Topf

stößt er das Schleifzeug mit dem Kopf

in das gegrab‘ne Brunnenloch.

„Was hab ich für ein Glück ja doch!

 

Nun brauch ich mich mit Lohn nicht plagen,

muß keinerlei Geschenk heimtragen.

Tret vor die Mutter, wie ich ging.

Sie braucht den Sohn und keinen Ring.

 

Käm ich bepackt mit vielen Sachen.

Was würden da die Nachbarn lachen

sich in ihr eignes Fäustchen rein,

weil reich beschenkt, das müßte sein.

 

Doch so, weil ich komm leer nach Haus,

da geh‘n auch leer die andren aus.

Ich glaub, mir lächelt das Geschick. –

Nenn‘ fortan mich nur ‚Hans im Glück‘!“

 

[2009]