Der Froschkönig
Auf einem Berg stand einst ein Schloß.
Der König ritt mit seinem Roß
tagtäglich für zwei Stunden aus
und kam dann froh gelaunt nach Haus.
Die Tochter, welche tausend schön,
sah man derweil spazieren geh‘n.
Hat auch das Schloß gar viel zu bieten,
wird Saal und Flur von ihr gemieden.
Viel lieber geht sie in das Tal,
wo leise rauscht ein Wasserfall.
Ein Garten ist dort angelegt,
worin sie ihre Schönheit pflegt.
Weit, zwischen angelegten Steinen,
sieht man die Blumen Blüten zeigen.
Es wachsen hier die Hyazinthen
und Margeriten schön weit hinten.
Auch Strauch und Baum gedeihen prächtig.
Der Garten wär heut hitverdächtig.
Besonders jener alte Brunnen,
an dem die Honigbienen summen.
Gerade dort an dieser Stelle,
an jener kühlen Wasserquelle,
springt sie so gerne hin und her
und läuft mitunter kreuz und quer.
Dabei wirft mit galanter Hand
die goldne Kugel, die sie fand
am letzten Tag vor Wochenschluß,
sie in die Luft mit einem Kuß
und fängt im schnellen Elfenlauf
sie wieder ohne Mühe auf.
Ein Lied hat sie auf ihren Lippen.
Dazu, scheint‘s, Blumenstengel wippen.
Doch plötzlich, grad beim Ausfallschritt,
kommt sie unachtsam aus dem Tritt.
Kann sich gerade noch so halten.
Der Ball rollt über Mauerspalten
zwischen trocknen und grünen nassen
Steinen, die den Born umfassen.
Er rollt und rollt; es ist zu hoffen,
daß sein Geläuf nach außen offen.
Zum Unglück neigt sich seine Bahn
der Mitte zu. Man kann es ahn‘,
was bald darauf ins Wasser fällt:
Prinzessins Ball, den niemand hält.
Noch ehe sie sich recht versieht,
die Kugel in die Tiefe zieht.
Ihr ähneln jene bitt‘ren Tränen,
die fallen, weil das Mädchen grämend
und sehr verzweifelnd an dem Rand
der Quelle ihren Sitzplatz fand.
Um Hilfe flehend, groß die Not,
als ginge es um Leben – Tod.
Da plätschert es erneut am Ufer.
Erscheint gar Rettung jetzt dem Rufer?
Doch ist es eine Kröte nur,
ein Frosch aus Mutters Frohnatur.
Obgleich hier „nur“ nicht angebracht,
denn Fröschlein fragt das Fräulein sacht,
was wohl für Trauer sei der Grund.
Sie wirke auf ihn ganz gesund.
Es fehle ihr zwar nichts am Leibe,
doch hofft sie, daß nicht übertreibe
sie ihr Unglück in diesen Stunden.
„Mein golden Ball ist dort verschwunden.“
„Was, liebe Königstochter, fein,
ist, wenn ich hole ihn, dann mein?“
„Dir soll, das werde ich beschwören,
all das, was du willst, dann gehören.“
„So sei, wenn ich es recht bedenke,
die Zeit für mich an dieser Tränke,
alsbald vorbei. Denn mir als Lohn,
erbitt ich, daß bei dir ich wohn,
daß ich an deinem Mittagstische
mir manchen dicken Brummer fische,
daß ich in deinem Bettchen schlafe,
(Undank vergilt man dir mit Strafe.)
und daß ich dann zum guten Schluß
von dir bekomme einen Kuß.“
Zwar ist der Wunsch absonderlich,
doch denkt Prinzesschen nur an sich.
Denkt nur daran, den Ball zu halten
in ihren Händen. ‚Schon beim alten
wird es dann bleiben‘, denkt sich Frau.
„Ist gut. So sei es. Doch nun schau,
die Kugel mir alsbald zu bringen,
damit ich wieder lustig singen
und tanzen kann zu meiner Freude.
Es gab genügend Tränen heute!“
Schon sprang hinab ins kühlte Feuchte
der Schwimmer schnell, weil es ihm deuchte,
zu erlangen des Glückes Sterne
weit außerhalb von der Zisterne.
Genau so schnell erschien er wieder.
Die Kugel hielten seine Glieder
ganz fest, damit sie nicht entrann
und er den Lohn empfangen kann.
Doch diesen Fakt hat unterdessen
die Königstochter längst vergessen.
Sie greift sich ihren Lieblingsschatz
und eilt zum Schloß. Ist für die Katz,
des Frosches Hilfe und Bemühen?
Muß er den kürzeren draus ziehen?
Das ist nicht das, was er gewollt.
Daß Tatkraft sie mit Undank zollt.
Drum springt er auf Amphibienart
die Straße lang und die ist hart
und weit und so wird’s Abend,
als er ankommt. Sie sich labend
am Tisch bei Brot und Wein und Vater.
Der Frosch macht draußen ein Theater.
Er klopft gar heftig an das Tor.
Kommt sich dabei echt einsam vor.
„Was mag da draußen vor sich gehen?“
will bald der König es verstehen.
Dann meldet man ihm den Verhalt,
indes es weiter kracht und schallt.
„Nun, Tochter, was hast du zu sagen?
Hat er das Recht, hier anzuklagen?“
Unter des Vaters strengem Blick
kann die Maid nicht mehr zurück.
Die Wahrheit muß sie eingestehen
und bald den Frosch am Tische sehen.
„Was du dem Helfer hast versprochen,
wird niemals hier von dir gebrochen!“
verkündet streng des Königs Macht.
Das Schloß sich einstellt für die Nacht.
Obwohl das Mädchen es nicht will,
er darf ins Zimmer. So ist still.
Er springt so gar ins Bettchen rein.
Die Maid, sie schreit: „Das darf nicht sein!“
Und als er spitzt gar seinen Mund,
wird es dem Königskind zu bunt.
Mit ihrer letzten Willenskraft
sie es geradeso noch schafft
zu packen des Frosches feuchte Hand
und wirft ihn schaudernd an die Wand.
Die Welt scheint sich ins Nichts zu heben
und nichts scheint dies zu überleben.
Ein Blitz erstrahlt, der Donner grollt –
das Mädchen unters Bettchen rollt.
Doch als das Chaos sich verzogen,
als wohl vorbei der Hölle Wogen,
da traut sich vor der Dame Blick
zu sehen all das Mißgeschick.
Mitnichten ist die Wand hinüber.
Auch liegt kein Mensch im hohen Fieber.
Vielmehr sie einen Prinzen schaut,
den sie nicht sah, bevor es laut.
Mit einem höfisch leisem Lachen,
hilft er ihr auf und in die Sachen,
die sie zum Schlafe weggelegt.
Zur Tür kommt Vater reingefegt.
„Mein König, sei er Vater mir.
Hier steht ein Mensch, der vorher Tier.
Ein böser Zauber hat mein Land
und mich durch diesen Fluch gebannt.
Die Jungfrau hier hat mich befreit.
So halt ich um die Hand an heut,
auf daß wir beide glücklich werden
und keine Trauer mehr auf Erden.“
Das Mädchen, das alsbald zur Frau,
erkannte ihre Chance genau.
Sie folgte ihrem Ehemann
im kutschenförmigen Gespann.
Sein Kutscher, der ein treuer Knabe,
saß obenauf und meint die Nabe,
die da wohl bricht, wie mancher glaubt,
hält zweifellos, ist gut verschraubt.
Entgegen sei zersprungen jetzt,
was Heinrich jahrelang entsetzt.
Was ihn im dunklen Naß gebunden,
das sei mit einem mal verschwunden.
So glücklich sind nun alle drei.
Auch kommt die Dienerschaft herbei
und feiern, was für eine Freude,
wenn sie nicht tot sind, wohl noch heute.
[2009]