Märchen

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Tischlein deck dich

Ein Schneider hatte einst drei Söhne

und damit er sie nicht verwöhne,

hielt er sie stets zur Arbeit an,

daß einst sie werden mal ein Mann.

 

Den Ältesten schickt mit der Ziege

er aus dem Haus, daß er sie hüte

am Weiher dort, im grünen Gras,

weil sie es so am liebsten fraß.

 

Der Junge nahm die Ziegenleine

und bald schon stampften die sechs Beine

stur querfeldein durch die Naturen;

folgten bekannten Weidmannsspuren.

 

Als beide an dem Weiher waren,

schien in den Bub der Schlaf zu fahren.

Er pflöckte fest die Ziege an,

damit er etwas schlafen kann.

 

Nach einer Weile, fast am Abend,

erwacht er, sieht die Ziege labend

sich an dem letzten grünen Stengel.

Dann sagt das Haustier zu dem Bengel,

 

daß sie nun satt sei ohne Sorgen

und nichts mehr fressen kann bis morgen.

Der Bursche macht die Ziege lose

und freut sich auf die Abendsauce.

 

Zuhause fragt der Vater streng,

ob er gehütet nicht zu eng,

ob auch die Ziege wohl genährt?

„Mein Vater, ich macht’s nicht verkehrt.“

 

Doch dieser wollt sich überzeugen,

tat sich zu seiner Ziege beugen

und fragte, ob das auch wohl stimmt,

was jüngst erzählt sein ältstes Kind.

 

„Wie sollte ich gesättigt sein?

Sprang Stund für Stund nur über Stein

und über kahle trockne Flecken.

Es war kein Futter zu entdecken.“

 

Der Vater wurde zornig wild.

Nahm seine Elle, Muskel schwillt

und schlug den großen Sohn gar toll,

daß er nur ja verschwinden soll.

 

Zwar hat der Sohn noch nichts im Magen,

doch muß er eilig fort sich tragen,

sonst schlägt der Vater ihn noch tot

bevor erglüht das Morgenrot.

 

Als dieses dann tatsächlich scheint,

der zweite Sohn ganz ehrlich meint,

er kann der Ziege Futter geben.

„Bestimmt gibt’s schwereres im Leben.“

 

Ihn zieht es zu der grünen Wiese,

wo er schon küßte seine Liese.

Dort weiß er saftig, fettes Gras.

Für Ziegen wohl der beste Fraß.

 

Sie haut auch gleich ganz tüchtig los,

kaum daß der Bursch aufknöpft die Hos’,

um sich ein wenig zu entleeren.

Am Abend hofft er dann auf Ehren.

 

Denn wie bei seinem Bruder auch,

schützt vor die Ziege ihren Bauch,

der voll sein soll und kugelrund.

Noch mehr vom Gras wär ungesund.

 

Der Junge nimmt das Ziegenband

und führt sie sorgsam an der Hand

dem väterlichen Hofe zu.

Und wünscht sich Milch von ihrer Kuh.

 

Auch diesmal will der Vater wissen,

ob sie genügend Gras gebissen.

„Gewiß mein Vater, ohne Lug.

Sie fraß den ganzen Tag genug.“

 

„Das werden wir ja gleich mal sehen.

Konntest du, Ziege, ihn verstehen?

Bist satt du nach genügend Gras?“

„Ich wünscht es, doch es ist kein Spaß

 

mit leerem Magen heim zu schreiten.“

„Dein Lügen werd ich dir verleiten!“

schreit nach der Ziegen Antwort schnell

der Schneider und greift nach der Ell’.

 

Wie seinen großen Bruder schon,

bekam der Junge heftig Lohn

von seinem Vater mit dem Stock,

bis er ihm auskam ohne Rock.

 

„Nun weißt du Bursche ja Bescheid.

Wenn morgen für dich Hütezeit,

dann mach es richtig und sei ehrlich,

damit du mir nicht wirst entbehrlich.“

 

„Gewiß, Herr Vater, so soll’s sein.

Das beste Futter fürs Zicklein.

Ich gebe fleißig darauf acht,

daß sie gut frißt bist an die Nacht.“

 

Als dann am nächsten Morgen schon

sich aufgerafft der jüngste Sohn,

schaut Vater Schneider hinterher,

ob wohl der Kleine besser wär.

 

Tatsächlich sucht sich aus der Knabe

für‘s Ziegenmaul die schönste Gabe.

Auch läuft er nicht umher im Wald,

dennoch ist es schon Abend bald.

 

Er fragt sie dann: „Hast du genug?

Oder willst du noch was für ’n Zug

nach Hause?“ Doch sie meint dazu:

„Ich fraß gar viel, nun brauch ich Ruh!“

 

Nun denkt der Kleine: ‚Oh, wie schön.

Jetzt kann sie satt ins Ställchen geh’n.‘

Das meint er auch zu seinem Vater:

„Heut Abend gibt es kein Theater.“

 

„Du kannst mir ja so vieles sagen.

Ich will die Ziege selber fragen. –

Nun, Gute du, wie sieht es aus?

Gab es für dich nun heute Schmaus?“

 

„Was sollte ich wohl schmausen heute?

Wo ich stand, gab es keine Freude?“

Da wallt in Vaters Kopf das Blut

und es erfaßt ihn schrecklich Wut:

 

„Du Lügner, du Erbärmlicher!

Du wirst bald sterben ärmlicher

als deine schlimmen Brüder gar.

Nicht lebst du mehr ein zwölftel Jahr.“

 

Bevor der Alte konnt’ zu schlagen,

entspringt der Bursch ohn’ lang zu fragen

wie auch die beiden Brüder sein

und läßt den Vater ganz allein.

 

Der macht sich dann auch tags darauf

mit seinem Tier zum Hüten auf.

Er gibt ihr selbst das schönste Futter,

auf daß sie ihm gibt Milch für Butter.

 

Da fragt er sie am Abend spät,

wie es um ihren Hunger steht.

Sie meint, noch niemals so gefressen

zu  haben und geht unterdessen

 

ganz brav mit ihrem Herren mit.

Der heute hat ’nen festen Schritt.

Und als sie dann sind in dem Stall,

fragt sie der Schneider, wie gefal-

 

len hat ihr denn das heut’ge Mahl.

Meint sie entrückt: „Nicht eine Zahl

könnt kleiner sein als was ich fraß.“

Der Mann wird bleich um seine Nas’.

 

„Was hab ich Vater bloß getan?

Wie ritt mich ein teuflischer Plan?

Oh, meine lieben Söhne, ach!

Jetzt, da zu spät, werd ich erst wach.“

 

Er wendet sich nun zu der Ziege:
„Ich rate dir, mach nur ’ne Fliege.

Doch wenn ich es mir recht bedenke,

geb ich dir auf den Weg Geschenke.“

 

Prompt seift er ihren Ziegenbart

mit Seife ein und das nicht zart.

Dann wird rasiert sie bis zur Haut.

Zum Schluß peitscht er sie durch das Kraut.

 

Doch was ist mit den Jungs geschehen?

Wer hat sie in der Welt gesehen?

Sie gingen alle in die Lehre,

damit man sie rechtens verehre.

 

Den ältesten zog ’s zu ’nem Schreiner.

Der machte Tische wie sonst keiner.

Und als die Lehrlingszeit vorbei,

gab ihn der Meister ungern frei.

 

„Doch weil du warst mein bester Lehrling,

will ich nicht geizen wie ein Sperling.

Hier hast zum Lohn du statt Dukaten

’nen Zaubertisch. Ich will verraten

 

wie dir zu jeder Tageszeit

genügend Brot und Wein bereit.

Sagst du zum Tisch, er soll sich decken,

wird er gefüllt sein. Dir wird’s schmecken.“

 

„Seid wohl bedankt, mein lieber Meister.

Geh nie das Holz Euch aus und Kleister

habt immerfort im feste Topf.“

Der Tisch kommt auf des G’sellen Kopf.

  

Dann zog er mit dem Möbel weiter.

„Vielleicht ist Vater jetzt gescheiter?“

denkt sich der junge Walz-Geselle

und sieht ein Wirtshaus. Drin ist helle.

 

„Herr Wirt, ich sah bei Euch noch Licht.

Ich brauch ein Zimmer, Speise nicht.“

„Eh, junger Mann, wer wird denn reisen

und nicht auch recht vorzüglich speisen?“

 

„Es braucht sich Euer Koch nicht sorgen.

Ich werde satt schon sein bis Morgen.

Und auch die Kundschaft hier im Raum,

selbst Ihr, auch wenn Ihr es glaubt kaum,

 

möchte ich heut Abend als Gäste

wissen zu meinem kleinen Feste.

Denn ich habe mir mit Bedacht,

meinen Tisch selber mitgebracht.“

 

Er stellt den Tisch in Stuben Mitten

und lautlos fast hört man ihn bitten,

daß ihn der Tisch ernähren soll.

Das finden alle Gäste toll.

 

Tatsächlich tut sich auf das Mahl.

So viel, das schwer nur fällt die Wahl.

Ein jeder hat bald voll den Bauch

und stöhnt und prustet, rülpset auch.

 

„Nun zeigt mir, Wirt, schnell das Schlafzimmer.

Viel speisen kann ich heute nimmer.“

Das Angesprochne handelt schnell,

ist auch mit Wünschen recht zur Stell.

 

Als dann jedoch das Wirtshaus ruht,

geht er noch um. Das ist nicht gut.

Er wechselt aus den Zaubertisch.

Am Morgen fühlt der Bursch sich frisch

 

und geht mit einem lieben Gruß,

schnell weiter, weil er noch weit muß.

Doch dieses Weit ist mal zu Ende,

Zuhause reichen sich die Hände

 

der Papa mit dem Sohnemann.

„Schau Vater her, was ich jetzt kann.

Doch lade auch dir Gäste ein.

Ein jeder soll sich mit uns freu’n.“

 

Sobald ein jeder von den vielen

erschienen ist, um brav zu schielen,

was wohl des Schneiders erster Sohn

hat mitgebracht als Lehrlings Lohn,

 

das stellt jener das Tischchen auf,

doch was er sagt, nichts kommt darauf.

Da kann man wahrlich nichtens machen.

Die Nachbarn allerdings, die lachen.

 

Der zweite Bub war bei ’nem Müller

und kriegt zum Lohn dafür als Knüller

ein wundersames Eseltier.

„Das hält den Schwanz hoch nicht zur Zier.

 

Wenn du ihm sagst, er soll sich rütteln,

wird er für dich Dukaten schütteln.“

„Ich danke für die guten Jahre.

Mir sind gewachsen nicht nur Haare.

 

Auch Muskeln hab ich. Doch ist wichtig

das ich gelernt, was falsch, was richtig.“

Er nimmt das Tier an seiner Leine

und geht zu Fuß, nutzt eigne Beine.

 

Am Abend, als die Sonne unten,

hat er beim Wirt sich eingefunden.

Es ist, wie es der Zufall schreibt,

der gleiche Wirt, nun wohlbeleibt.

 

„Hast du denn auch genügend Geld?

Hier nur des edle Goldstück zählt.“

Der Junge lacht den Gastwirt an:

„Ich hab genug, mein lieber Mann.

 

Nun bringt mir Wein und Brot und Fisch!

Dann leg ich Gold auf Euren Tisch.“

„Sehr vorsichtig muß sein man heute.

Ich sag dir, es gibt schlimme Leute.

 

So zeig mir denn zuerst dein Gold.

Dann sollst du haben, was gewollt.“

„Wartet Ihr hier, ich komm zurück.

Ihr sollt nicht bleiben ohne Stück.“

 

Der Junggeselle ohne Arg

ging schnell zum Esel und verbarg

auch nicht was dessen Zauberkunst.

Der Wirt sah’s aus dem Küchendunst.

 

Weil nun der Knabe zeigen konnte,

wie gut er sich in Reichtum sonnte,

ließ ihn der Wirt nicht länger hungern.

Des Nachts am Stall sah man ihn lungern.

 

Nachdem der Morgen ist gekommen,

hat Müllerbursch sein Tier genommen

und wandert ahnungslos dann weiter.

Denkt schlechtes nicht; ist froh und heiter.

 

Derart kommt er zum Vater bald,

erlebt dort wie’s Geschwätz verhallt,

das noch ’ne Weile hat gedauert

und auch, wie’s Brüderlein recht trauert.

 

„Ach, laß ab von der dunklen Miene.

Wir sind ab heut’ auf Glückes Schiene.

Holt schnell die Nachbarn auch herbei,

damit ihr Lachen flüchtig sei.“

 

Dies hat man fleißig umgesetzt

und wartet ab was denn nun jetzt

der zweite Sohn hat mitgebracht.

„Es sei vergeben, wer gelacht.

 

Kommt alle her und staunt und schaut!“

Nur gab der Esel, was verdaut

an Trockenfutter er seit Tagen.

Manch Lacher mußte man raustragen.

 

Die Kunst des Drechselns zu erlangen

ist jener jüngster weggegangen.

So bleibt er auch noch länger fort,

als daheim man schon denkt an Mord.

 

Er hat, was damals selten war,

’nen Brief geschrieben übers Jahr.

Als Antwort hat er dann erfahren,

wie jener Gastwirt ist verfahren.

 

‚Ei‘, denkt er. ‚Das ist allerhand.

Dem werd ich’s zeigen mit Verstand.‘

Bald schon ist seine Lehrzeit aus

und er will gleichsam auch nach Haus.

 

Sein Meister hat für ihn den Clou.

„Wo Böses quillt, da schlägt er zu.

Und grad so lang wie es dein Wille

verlangt, dann ist er wieder stille.“

 

„Ich dank Euch Meister für den Stock.

Der Knüppel findet schon den Rock,

der für die Prügel grade richtig.“

„Doch halt du auch das Maß für wichtig.“

 

Nachdem das alles abgesprochen,

beginnt der Reise sieben Wochen

bis endlich an des Tages Ende,

der Junge heimkommt aus der Fremde.

 

Noch ein paar Meilen sind zu gehen,

da sieht er in der Nähe stehen,

das ihm verwiesene Gasthaus.

Auch jener Wirt schaut schon heraus.

 

„Ihr sollt, hab ich mir sagen lassen,

den Leuten in die Taschen fassen.

Nun denn, versucht es bei dem Sack.

Vielleicht ist drin ein goldner Frack?“

 

„Mein Hoher Herr, sagt so was leise.

Dafür gibt’s keinerlei Beweise.

Ruht euch nur ruhig bei mir aus.

Heut geht die Rechnung auf das Haus.“

 

Der Jüngling, der nun schon ein Mann,

tut so, als ob man fangen kann

ihn ziemlich leicht mit Schmeichelworten.

„Verzeiht! Ich sprach von andren Orten.“

 

Wohl nie zuvor in seinem Leben,

konnte der Gast in Wollust schweben,

um seine Kräfte aufzufrischen.

Die Wirtsleute es ihm auftischen.

 

Nach diesem opulenten Essen

ist Gast und Gastwirt ganz versessen

darauf den Tag flugs abzuschließen.

„Die Nachtruh sollt Ihr heut genießen

 

in meinem eignen weichen Bett.“

„Herr Wirt, das ist wahrhaftig nett.“

„Ich werde in der Zeit bewachen,

daß niemand sich vergreift an Sachen,

 

die Euch und ihm nicht selbst gehören.

Das will ich Euch hiermit beschwören.“

Der Wanderbursch schließt seine Augen,

doch nur zum Anschein. Denn sie taugen

 

ganz gut um später zu erblicken,

was dieser Gastwirt treibt im Rücken.

Der greift klammheimlich, was verboten,

in fremde Taschen mit den Pfoten.

 

Darauf hat sein Gast spekuliert,

so daß sein Ruf den Stock justiert

auf jenen Bösewicht im Zimmer.

Erst schreit er, dann hört man Gewimmer.

 

„Laßt ab, oh, lieber Gnäd’ger Herr.

Ich tu es wahrlich niemals mehr!“

„Gib mir heraus, was du gestohlen.

Sonst wird mein Stock dich weiter sohlen!“

 

In seiner Pein, vor lauter Schmerzen,

will er das Leben nicht verscherzen

und gibt dann unter Zeugenaugen

heraus, was tat als Beute taugen.

  

Mit Knüppel und Tisch auf dem Rücken

des Esels und den lobend Blicken

der andren Kundschaft für den Weg

geht es dann heimwärts nicht zu spät.

 

Nach Hause ist er bald gekommen,

wo man mit Freude abgenommen

ihm hat die Sachen seiner Brüder,

weil diese ihre eignen Güter.

 

Nun können endlich alle sehen,

worauf die Söhne sich verstehen.

Und gibt es mal ein böses Wort,

dann haut es flink der Knüppel fort.

 

[2009]